Keine Verlängerung der Übergangsfrist für Kälbertransporte
Deutscher Tierschutzbund Landestierschutzverband Niedersachsen e.V.
18.01.2022
Das Land Niedersachsen will die Transportübergangsvorschriften verlängern.
Die ursprüngliche Entscheidung lautete: Das Mindesttransportalter von Kälbern von 14 auf 28 Tage heraufsetzen, dazu gab es eine Übergangsfrist von einem Jahr. Nun will das Land Niedersachsen diese Entscheidung im Bundesrat um weitere zwei Jahre – auf dann insgesamt drei Jahre – verlängern.
Aus Tierschutzsicht war es notwendig, Kälber erst ab der 5. Lebenswoche zu transportieren. Die Bundesländer hatten sich am 25.06.2021 im Bundesrat abschließend auf eine notwendige Übergangsfrist von einem Jahr verständigt, da zunächst ausreichende räumliche sowie personelle Kapazitäten in den betroffenen Betrieben geschaffen werden mussten.
Dem Transport ab der 5. Lebenswoche aus Tierschutzgründen sowie der Übergangsfrist von einem Jahr hatte auch das Land Niedersachsen vollumfänglich zugestimmt!
Der Landestierschutzverband Niedersachsen kritisiert diesen Änderungsantrag. Dieter Ruhnke, Vorsitzender des Landestierschutzverbandes Niedersachsen e.V.:
„Der niedersächsische Antrag stellt zur Begründung der Verlängerung der Übergangsfrist auf genehmigungsrechtliche Problematiken ab. Diese wurden jedoch bereits im Rahmen der Festsetzung der Übergangsfrist auf ein Jahr im Beschluss des Bundesrates vom 25. Juni 2021 berücksichtigt! Die angewandte Strategie, Übergangsfristen zu verlängern, geht immer wieder zu Lasten der Tiere sowie insbesondere zu Lasten der Landwirte, die sich bereits auf die Veränderung eingestellt habe. Dies stellt einen Automatismus der großen Nutztierhaltungen dar, um den notwendigen Umbau der Tierhaltung auf die lange Bank schieben zu können – auf Kosten einer bäuerlichen Landwirtschaft.“
Die beantragte Verlängerung der Übergangsfrist um weitere zwei Jahre ist tierschutzwidrig, da es hierfür an einem vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes fehlt. Ökonomische Erwägungen allein sind nicht geeignet, eine bereits auf sachlicher Basis beschlossene Übergangsfrist zu verlängern.
Ruhnke weiter: „Als Motiv hinter den Bestrebungen, die Übergangsfrist zu verlängern, stehen ausschließlich Kosten- und Aufwandsfaktoren sehr großer Milchviehbetriebe. Kleinere bäuerliche Betriebe „produzieren“ nicht so viele Kälber, als dass durch die Heraufsetzung des Mindesttransportalters von Kälbern wesentliche Umbauten erforderlich wären.“
Der Landestierschutzverband Niedersachsen e.V. fordert die Landesregierung auf, den Änderungsantrag zurückzunehmen, um sich nicht noch weitere zwei Jahre an den – auch durch das Land Niedersachsen – festgestellten tierquälerischen Transporten von 14 Tage alten Kälbern zu beteiligen.
Wenn dieser aktuellen Forderung nach einer weiteren Verlängerung der Übergangsfrist im Bundesrat nachgegeben würde, stellt das aus Sicht des Verbandes eine Verletzung des Staatsziels „Tierschutz“ dar und zwar um rein ökonomische Interessen über den Schutz und das Wohlbefinden der Tiere zu stellen
Hintergrund:
Mit dem Verordnungsantrag des Landes Niedersachsen vom 11. Januar 2022 (BR-Drs. 7/22) wird von dem Land Niedersachsen beantragt, die Übergangsfrist für das Heraufsetzen des Mindesttransportalters von Kälbern von 14 Tagen auf 28 Tage von einem Jahr auf drei Jahre – bis 2025 – zu verlängern. Als Begründung wird angeführt, die Änderung der Tierschutztransportverordnung (TierSchTrV) stelle die Kälber haltenden Betriebe und Kälbertransportunternehmen in Deutschland vor enorme Herausforderungen, welche ohne eine entsprechend lange Übergangsfrist nicht zu bewältigen seien.
Diese wurden jedoch bereits im Rahmen der Festsetzung der Übergangsfrist auf ein Jahr im Beschluss des Bundesrates vom 25. Juni 2021 (BR-Drs. 394/21) berücksichtigt. Dort heißt es in Ziffer 8b:
„Die Änderung hat erhebliche Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Betriebe und Strukturen. In den Herkunftsbetrieben müssen ausreichende räumliche sowie personelle Kapazitäten geschaffen werden (bauliche Maßnahmen zur Einrichtung zusätzlicher Haltungssysteme gemäß TierSchNutztV, Anschaffung weiterer Kälberiglus, Erhöhung des Betreuungsaufwandes und des entsprechenden Personals für die Kälber aufgrund längerer Verweilzeit usw.). Bei den Transporten ist der Platzbedarf pro Tier auf den Transportfahrzeugen größer, was wiederum wirtschaftliche Folgen hat. Daher ist eine Übergangszeit von einem Jahr notwendig.“
Der Bundesrat ist im Juni 2021 unter Heranziehung der nun erneut geltend gemachten Aspekte bereits zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Übergangsfrist von einem Jahr ausreichend ist.
Die beantragte Verlängerung der Übergangsfrist in § 23 TierSchTrV um weitere zwei Jahre ist tierschutzwidrig, da es hierfür an einem vernünftigen Grund im Sinne des § 1 Satz 2 Tierschutzgesetz fehlt.
Ein vernünftiger Grund liegt vor, wenn er als triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen anzuerkennen ist, und wenn er unter konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrtheit.
Ökonomische Erwägungen allein sind nicht geeignet, eine bereits auf sachlicher Basis beschlossene Übergangsfrist zu verlängern. Nach der Rechtsprechung sind ökonomische Gründe allein zur Ausfüllung des vernünftigen Grundes nicht geeignet (siehe nur BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2019 – 3 C 28.16; VGH München, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 9 ZB 10.1458; OVG Münster, Urteil vom 10. August 2012 – 20 A 1240/11; VG Magdeburg, Urteil vom 4. Juli 2016 – 1 A 1198/14; OVG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14. September 1984, 5 Ws 2/84, NStZ 1985, 130).
Der Landestierschutzverband Niedersachsen e.V. ist die größte Tierschutzorganisation in Niedersachsen und vertritt die Interessen von 82 Mitgliedsvereinen in denen rund 23.000 Tierschützer*Innen organisiert sind. Kontakt zu unserer Pressereferentin Andrea Wildhagen: Info@tierschutzniedersachsen.de